Merz' Albtraum: Deutschland schlittert in die Triple-Rezession

Harald Neuber
Abrissbirne in den Farben der Deutschlandfahne zerschmettert ein Zement-€.

Es sieht wirtschaftlich düster aus in Europa und Deutschland. Bild: Ink Drop/ Shutterstock.com

Die EZB senkt erneut die Zinsen. Globale Handelsspannungen gefährden Europas Erholung. Deutschland ist alarmiert. Was kommt als Nächstes?

Angesichts der eskalierenden Handelskonflikte hat die Europäische Zentralbank (EZB) erneut die Zinsen gesenkt. Der Einlagensatz wurde um einen Viertelprozentpunkt auf 2,25 Prozent herabgesetzt, wie von fast allen von Bloomberg befragten Analysten erwartet.

In ihrer Erklärung strichen die Währungshüter das Wort "restriktiv" in Bezug auf den geldpolitischen Kurs, betonten aber die Gegenwindfaktoren für die europäische Wirtschaft. "Die Wachstumsaussichten haben sich aufgrund zunehmender Handelsspannungen verschlechtert", warnte die EZB.

Die Unsicherheit dürfte das Vertrauen von Haushalten und Unternehmen belasten. Auch die negativen Marktreaktionen auf die Handelskonflikte könnten die Finanzierungsbedingungen verschärfen. All dies drohe die Konjunkturaussichten weiter einzutrüben, so die Notenbank.

Noch vor wenigen Wochen hatte die EZB über eine Pause im Zinssenkungszyklus nachgedacht. Doch die Ankündigung umfassender US-Zölle gegen die Handelspartner durch Präsident Donald Trump brachte eine Mehrheit im EZB-Rat dazu, eine weitere Lockerung zu befürworten.

EZB im Krisenmodus

Dieser Schritt wurde attraktiver, da die Inflation weiter in Richtung des EZB-Ziels von zwei Prozent sank, begünstigt durch fallende Energiepreise. Auch der Einbruch der Konjunkturindikatoren sprach für eine Zinssenkung. Der überraschend starke Euro, der auf ein Dreijahreshoch zum US-Dollar kletterte, erhöhte ebenfalls den Handlungsdruck.

Weitere Zinssenkungen erwartet

Investoren rechnen in diesem Jahr noch mit zwei bis drei weiteren Zinssenkungen. Doch angesichts der unberechenbaren geopolitischen Lage dürfte EZB-Präsidentin Christine Lagarde bei der Pressekonferenz um 14:45 Uhr keine klaren Signale geben.

Die Änderungen in der EZB-Erklärung deuten darauf hin, dass die Notenbank die Geldpolitik nun im Bereich der Schätzungen für einen neutralen Kurs sieht - ein Niveau, das die Wirtschaft weder anregt noch bremst. Unklar bleibt, ob die Währungshüter eine Senkung über dieses Niveau hinaus für nötig halten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmung wird hier ein externer Podcast (Podigee GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Podigee GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Die Furcht ist groß, dass die US-Zölle die Hoffnungen auf eine Wiederbelebung der Wirtschaft im Euroraum zunichtemachen - und möglicherweise die Verbraucherpreisinflation unter das Ziel drücken. Zwar hat Trump teilweise zurückgerudert, doch EU-Produkte sehen sich für 90 Tage zehnprozentigen Zöllen ausgesetzt – ohne klare Aussage, was danach geschehen soll.

Auch der Handelskonflikt mit China eskaliert und erhöht das Risiko, dass chinesische Waren zu Dumpingpreisen nach Europa umgeleitet werden. Für die US-Notenbank Fed ist die Lage noch verzwickter: Sie könnte zum Stillhalten gezwungen sein, bis es mehr Klarheit gibt.

In Deutschland macht sich derweil Alarmstimmung breit. Das Investorenvertrauen ist wegen Trumps Handelschaos regelrecht eingebrochen. Der Erwartungsindex des ZEW-Instituts fiel im April auf -14 Punkte, nach 51,6 im Vormonat. Analysten hatten nur einen Rückgang auf zehn Zähler erwartet.

"Die sprunghaften Änderungen in der US-Handelspolitik lasten schwer auf den Erwartungen", erklärte ZEW-Präsident Achim Wambach. Nicht nur die möglichen Folgen der angekündigten Vergeltungszölle für den Welthandel, sondern auch die Dynamik der Änderungen hätten die globale Unsicherheit massiv erhöht.

Der Optimismus über die Ausgabenpläne der neuen Bundesregierung ist seit Trumps Autozöllen rapide verflogen. Führende Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Wachstumsprognose für 2025 auf nur noch 0,1 Prozent gesenkt und warnen vor Schlimmerem - dem dritten Rezessionsjahr in Folge.

Das würde die Abhängigkeit Deutschlands vom Export und die Notwendigkeit eines neuen Wirtschaftsmodells unterstreichen. Hohe Energiekosten belasten die Industrie, während die Unsicherheit über die Entschlossenheit des künftigen Kanzlers Friedrich Merz, Bürokratie und Migration anzugehen, die Investitionen dämpft. Die Verbraucher, die nach Jahren der Zurückhaltung wieder mehr ausgeben sollten, bleiben zögerlich.

An den Finanzmärkten herrscht Tristesse. Der Leitindex DAX hat seit Trumps Zollankündigungen fünf Prozent verloren. Audi hat Lieferungen in die USA ausgesetzt, Mercedes-Benz erwägt, die günstigsten Modelle zu streichen, weil sie sich mit den neuen Abgaben nicht mehr rentabel verkaufen lassen.

Solche Signale beunruhigen die Bundesbank. Ihr Präsident Joachim Nagel wirft Trump vor, die globale Wirtschaftsstabilität zu gefährden. Noch im März hatte die Notenbank erwartet, dass Deutschland nach einem Dämpfer zum Jahresende im ersten Quartal wieder wachsen würde - eine Aussicht, die sich nun zerschlagen haben dürfte.

Die EZB versucht mit ihrer lockeren Geldpolitik gegenzusteuern. Während einige Ratsmitglieder die inflationären Effekte von Trumps Zöllen fürchten, sehen die Umfrageteilnehmer des ZEW das gelassener. Laut ZEW-Präsident Wambach sehen die Finanzmarktexperten aktuell kein Risiko eines neuen Inflationsschubs in Deutschland und der Eurozone: "Das gibt der EZB Spielraum, die Wirtschaft durch weitere Zinssenkungen anzukurbeln."

Doch die Heftigkeit, mit der die von den USA losgetretene Spirale von Zöllen und Vergeltung die Weltwirtschaft erfasst hat, lässt immer mehr Beobachter das Schlimmste befürchten. "Eine Finanzkrise ist eines der Szenarien in einem ausgewachsenen Handelskrieg", warnt Scope Ratings. Für die exportabhängigen Länder Europas wären die Folgen verheerend. Es ist höchste Zeit, dass die Politik die Eskalation stoppt und zu Vernunft und Besonnenheit zurückkehrt. Sonst droht der mühsam errungene Aufschwung in einem Strudel aus Unsicherheit, Investitionszurückhaltung und schrumpfenden Absatzmärkten unterzugehen.